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Vorschlag für die Klimakonferenz in Kopenhagen vom Wuppertal Institut

Für die Klimakonferenz in Kopenhagen vom 7. bis 18. Dezember 2009 legt das Wuppertal Institut nach breiter Fachdiskussion einen Vorschlag für ein wirksames und zugleich gerechtes Klimaabkommen vor. Er hat die folgenden Kernpunkte:

  1.  Emissionsziele.
    Der Klimawandel verläuft schneller als bisher angenommen. Die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 2 °C ist gefährdet, wenn nicht schnell grundlegende Maßnahmen ergriffen werden. Bis zum Jahr 2050 müssen darum die globalen Emissionen im Vergleich zu 1990 um 80 % reduziert werden. Angesichts des zu erwartenden Anstiegs der Weltbevölkerung auf 9 Milliarden Menschen bedeutet das: Jede Person auf der Erde kann in 2050 nur noch 1 t CO2-eq. pro Jahr emittieren. Da die Treibhausgase aus der Landwirtschaft, z.B. aus Reisanbau und Rinderhaltung, nur begrenzt gemindert werden können, werden Emissionen aus fossilen Brennstoffen und Industriegasen bis 2050 vermutlich auf praktisch Null gesenkt werden müssen.

    Das gilt auch für die Bevölkerung der Industrieländer, und zwar aus zwei eng miteinander verbundenen Gründen: Es ist ethisch nicht zu rechtfertigen, dass ein Teil der Menschheit dauerhaft mehr Umweltverschmutzung verursachen darf als andere Teile. Die Entwicklungsländer werden kein politisches Abkommen schließen, das den Industrieländern ein Mehrfaches der Emissionen zugesteht. (Für Deutschland haben vor kurzem erst die Prognos AG, das Öko-Institut und Dr. Ziesing im Auftrag des World Wide Fund for Nature in einer umfassenden Studie dargestellt, dass Emissionsminderungen auf 0,9 t pro Kopf bis 2050 möglich und bezahlbar sind.)
    Um das Langziel gleicher Emissionsmengen zu erreichen, sollten die Industrieländer einwilligen, bis 2020 ihre Emissionen um 40 % zu verringern.
  2. Verbindlichkeit.
    Absichtserklärungen allein schützen das Klima nicht. Darum sollen sich die Industrienationen und die Schwellenländer zu Aktionsplänen verpflichten. In ihnen führen sie aus, auf welche Weise sie die Ziele, die sie zugesagt haben, erreichen wollen.
  3. Positive Signale.
    Ein Klimavertrag darf nicht nur Grenzen setzen und Reduktionen einfordern. Er muss ebenso Aufbruchsignale für eine zukunftsfähige Energieversorgung setzen. Daher sollten die Steigerung der Energieeffizienz und der Ausbau erneuerbarer Energien Teil des Klimaabkommens werden. Ein möglicher Vorläufer ist das 20-20-20-Ziel der Europäischen Union. Bis 2020 sollen hier die Emissionen um 20 % gesenkt und die Energie-Effizienz um 20 % gesteigert werden, während im gleichen Zeitraum die erneuerbaren Energien einen Anteil von ebenfalls 20 % erreichen sollen. Während diese Ziele im Vergleich zum ökologisch Notwendigen noch deutlich zu schwach sind, empfiehlt sich der grundsätzliche Ansatz für eine Übernahme.
  4. Ein globales Investitionsprogramm.
    Die Erreichung solcher Ziele stellt schon an die Industrienationen große finanzielle Anforderungen. Die Schwellenländer und erst recht die ärmeren Entwicklungsländer können diese Aufgaben allein nicht schultern. Sie werden aus eigener Kraft weder eine Emissionen sparende Entwicklung vollziehen noch sich an die Folgen des Klimawandels anpassen können.
    Die Industrieländer werden darum den Hauptteil der globalen Anstrengungen zum Klimaschutz übernehmen müssen. Sie sollten einmal für sich selbst die oben genannten ehrgeizigen Reduktionsziele verwirklichen. Sie sollten sich zweitens verpflichten, den Entwicklungsländern eine emissionsarme Entwicklung zu ermöglichen und ihnen bei der Bewältigung der bereits erkennbaren Klimaschäden zu helfen. Der Marshall-Plan kann als Beispiel eines erfolgreichen strategischen Kooperationsprogramms gelten. Mit ihm investierten die USA nach dem zweiten Weltkrieg fünf Jahre hindurch 1 % ihres Bruttoinlandproduktes in den Wiederaufbau Europas, um die Gefahr abzuwenden, dass das kriegszerstörte Westeuropa in den Einflussbereich der Sowjetunion geriet. Der Klimawandel muss als eine noch viel größere strategische Herausforderung begriffen werden.
    Gewiss werden die Empfänger der Unterstützung eigene angemessene Beiträge zum Klimaschutz zu leisten haben. Ihre Anstrengungen werden internationaler Begutachtung unterzogen, und erst damit qualifizieren sie sich für die Finanzhilfe.
  5. Finanzierung.
    Der aussichtsreichste Weg, die für den Klimaschutz erforderlichen Summen aufzubringen, ist die Versteigerung der Verschmutzungsrechte. Hierfür gibt es verschiedene Modelle. Das Wuppertal Institut befürwortet eine globale Klimatreuhand. Sie übernimmt die Auswahl der Empfänger, der an sie zu verteilenden Summen und die Einhaltung der Regeln.
    Die Schaffung einer solchen Institution wird jedoch Zeit erfordern. Um möglichst schnell mit der Umsetzung von Maßnahmen beginnen zu können, sollte die Finanzierung daher vorerst auch über die bestehenden Institutionen abgewickelt werden.

Autoren:
Wolfgang Sterk, Christof Arens, Christiane Beuermann, Daniel Bongardt,
Sylvia Borbonus, Carmen Dienst, Urda Eichhorst, Dagmar Kiyar,
Hans-Jochen Luhmann, Hermann E. Ott, Frederic Rudolph, Tilman Santarius,
Ralf Schüle, Meike Spitzner, Stefan Thomas, Rie Watanabe:
Towards an Effective and Equitable Climate Change Agreement
A Wuppertal Proposal for Copenhagen
Wuppertal 2009, ISBN: 978-3-929944-79-2
(Wuppertal Spezial Nr. 40)

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