Gegen eine unbefristete Betriebsbewilligung für das Atomkraftwerk Mühleberg (BKW) wurden im Juli 2008 rund 1’900 Beschwerden eingereicht. In der Zwischenzeit haben der AKW-Betreiber BKW und die Aufsichtsbehörde ENSI (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat) zu den Einsprachen Stellung genommen.
Das Atomkraftwerk Mühleberg ist zu alt und zu
unsicher um eine unbefristete Betriebsbewilligung
zu erhalten. Das wäre unverantwortlich. Wehren
auch Sie sich, nehmen Sie Stellung gegen den bald
40 jährigen Alt-Reaktor Mühleberg.
Beim folgenden Link befindet sich eine ausführliche Argumentation gegen eine unbefristete Betriebsbewilliung für das Kernkraftwerk Mühleberg. Falls Sie diese Stellungnahme an das Amt für Energie schicken möchten, haben Sie allerdings nur noch Zeit bis zum 26. Mai 09.
Argumentation gegen unbefristete Betriebsbewilliung AKW Mühleberg
Details aus dem obigen Link (Quelle: Schweiz. Energiestiftung SES):
1.Akteneinsicht
Die Ausgangsbasis im öffentlichen Verfahren zum AKW Mühleberg ist nicht wie in den bisherigen Verfahren ein anlagentechnischer Sicherheitsbericht. Die vorliegenden Stellungnahmen des ENSI und der BKW reichen nicht aus, den aktuellen Zustand des Atomkraftwerks zu beurteilen. Es werden Sachverhalte erwähnt, welche nicht überprüfbar sind. Dies trifft insbesondere für die Notkühlung, den Schutz gegen Erdbeben und die Alterungsüberwachung zu. Es ist unakzeptabel, dass die BKW gegenüber der NOK, der Betreibergesellschaft des AKW Beznau II, bevorzugt behandelt wird, welche im analogen Verfahren 2004 sämtliche Unterlagen öffentlich auflegen musste.
2.Kernmantel
BKW: Die BKW FMB Energie AG behauptet, die Funktionalität des Kernmantels sei auch ohne Berücksichtigung der vier Zuganker und ohne weitere Massnahmen über 50 Betriebsjahre hinaus gewährleistet.
ENSI: Das ENSI hingegen fordert Massnahmen, weil es die Schutzfunktion des Kernmantels in der heutigen Form für den Langzeitbetrieb in Frage stellt. Es bemerkt, dass die „Risiken … vor allem beim Abheben einzelner Ringe, bleibenden seitlichen Verschiebungen sowie beim Öffnen von Trennstellen" bestehen. Trotzdem verlangt das ENSI von der BKW nicht vor Ende 2010 ein Sicherungskonzept.
Stellungnahme:
Der Kernmantel muss bei einem Unfall die starken Kräfte auffangen und beim Bruch einer Umwälzleitung ein dichtes Gefäss um die Brennstäbe bilden, damit deren Kühlung bis zu einem gewissen Grad aufrechterhalten werden kann. Es gibt kein System im Reaktor, welches den Kernmantel in seiner Funktion unterstützt oder gar ersetzt.
Offensichtlich sträubt sich die BKW gegen die Vorgaben des ENSI, was erhebliche Zweifel am so genannt sicheren Betrieb aufkommen lässt. Das ENSI unterschätzt das Risswachstum. In den letzten Jahren wurden trotz wasserchemischer Massnahmen und Edelmetalleinspeisung neue Risse entdeckt. Auch werden die Messungen des ENSI höchstens alle zwei Jahre durchgeführt, was eine seriöse Beurteilung behindert.
3.Containment
BKW: Diese gibt vor, dass das Containment ebenbürtig zu Sicherheitsbehältern jüngerer Generationen sei.
ENSI: Seit 1975 seien keine Versuche bekannt, welche Schwachpunkte des Mark-I-Containment (Typ Mühleberg) gezeigt hätten; das ENSI weist darauf hin, dass mehrere gleiche AKW mit diesen Containments und sogar mit grösserer Leistung betrieben werden.
Stellungnahme:
Das Mark-I-Containment hat eine komplizierte Form mit einem birnenförmigen Drywell und dem frei stehenden zum Teil mit Wasser gefüllten Torus zum Abbau des Überdrucks bei Schnellabschaltungen und Unfällen. Im Gegensatz zu späteren Containments, welche für den Druckabbau Wasserbecken führen, kann das Wasser bei einer Leckage des Torus – vor allem an den Schweissstellen von Ansaugrohren – vollständig auslaufen.
4.Notkühlung
BKW: Die BKW behauptet, die Notkühlsysteme seien vollwertig und voneinander getrennt, so dass die Notkühlung jederzeit garantiert sei.
ENSI: Lecks im Torus, von wo die Notkühlsysteme das Kühlwasser ansaugen, werden bis zu einem gewissen Grad durch Rückpumpsysteme aufgefangen. Darüber hinaus kann mit der Verfügbarkeit des betrieblichen Kühlwassersystems gerechnet werden.
Stellungnahme:
Im AKW Mühleberg sind mehrere Sammelleitungen vorhanden, welche bei einem grossen Leck mehrere aktive Komponenten ausser Betrieb setzen. So sind Kühlsysteme installiert, bei denen im Fall eines Rohrbruchs redundante Pumpen ausser Betrieb gesetzt werden. Auch ein Leck in dem nicht besonders gegen Leckagen gesicherten Torus kann zu einem Ausfall aller Notkühlsysteme führen, da diese aus dem Torus mit Kühlwasser versorgt werden.
Betriebssysteme in einer Notfallanalyse zu berücksichtigen, wie es das ENSI tut, ist unzulässig. In seinem Entwurf zur Störfallrichtlinie verlangt das ENSI selbst, dass Betriebssysteme nicht einbezogen werden dürfen.
5.Notstrom
BKW: Die BKW schreibt, die Notstromversorgung entspreche den Auslegungskriterien.
ENSI: Das ENSI gibt an, dass in den schweizerischen Auslegungsgrundlagen nicht für jede Redundanz ein eigenes Notstromdieselaggregat erforderlich sei, sondern es müsse lediglich ausreichend zuverlässig sein.
Stellungnahme:
Die Sicherheitssysteme werden bei Hochrisikoanlagen in vier unabhängige Segmente aufgeteilt, die so genannten Stränge. Die Dieselmotoren der Stränge I und II sind im AKW Mühleberg nicht gegen Erdbeben gesichert. – Die Stränge III und IV des Susan (Spezielles unabhängiges System zur Abführung der Nachzerfallswärme) können den Ausfall der Stränge I und II nicht vollwertig ersetzen. Die Notstromversorgung wäre nicht mehr garantiert. Beispielsweise hätte der Ausfall eines Notstromdiesels bei einem Testlauf im September 1997 im Ernstfall zu einer Nichtverfügbarkeit des zugehörigen Stranges und dabei zur Nichtverfügbarkeit von Notstandsystemen führen können.
6.Erdbeben
BKW: Es sind schon Nachrüstprogramme aufgrund der neuesten Erdbebenstudie PEGASOS an den Standorten der schweizerischen AKW im Gang.
ENSI: Das ENSI behauptet zusätzlich, dass die Strahlenschutzverordnung beim Bruch einer Leitung im Maschinenhaus bei einem Sicherheitserdbeben während 90% der Betriebszeitgarantiert ist. Die BKW komme auf massiv kleinere Verseuchungen als früher berechnet.
Stellungnahme:
Sämtliche Berechnungen und Ergebnisse der Erdbebenuntersuchungen der BKW sind der Öffentlichkeit nicht bekannt. Bei der Auflegung der Stellungnahme der HSK zur PSÜ2005 des AKW Mühleberg war die Analyse ungenügend; die HSK ging darauf nicht ein, stellte aber eine Reihe von Forderungen auf. Andererseits ist seit Jahren bekannt, dass mehrere Notsysteme (Dieselanlagen und Notkühlsysteme) nicht gegen Erdbeben gesichert sind. – Zum Leitungsbruch im Maschinenhaus schreibt das ENSI nicht, was ausserhalb der 90% der Betriebszeit geschieht. Es gibt sogar zu, dass es die Analysen der BKW noch nicht definitiv beurteilt habe!
7.Flugzeugabsturz
BKW: Der Betreiber weist darauf hin, dass das AKW laut ENSI für den Absturz eines Passagierflugzeugs mit mittlerer Geschwindigkeit gut geschützt sei. Das Anpeilen des AKW beurteilt er wegen der Einbettung in ein Tal als sehr schwierig.
Stellungnahme:
Sogar das ENSI schreibt in früheren Untersuchungen, bei „grösseren" Flugzeugtypen mit „grösserer" Geschwindigkeit sei ein Durchstanzen der Aussenwand des Reaktorgebäudes möglich. Im Übrigen befindet sich das Kühlbecken für die Brennelemente ausserhalb des Containments, und bei der Revision ist der Reaktor offen, direkt unter der Kuppel des Reaktorgebäudes. Diese ist an der dünnsten Stelle 15 Zentimeter dick, somit nicht einmal gegen Flugzeugtrümmer geschützt. Der auslaufende und brennende Treibstoff hätte verheerende Auswirkungen.
8. Ausserbetriebnahmekriterien
In der Verordnung des Eidgenössichen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) über die Methodik und Randbedingungen zur Überprüfung der Kriterien für die vorläufige Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken sind Kriterien aufgeführt, die sich auf die Überprüfung der Auslegung, die Versprödung des Reaktordruckbehälters, Risse im Primärkreislauf, sowie die Integrität des Containments beziehen. In den Bereichen der Alterungen folgt aus den Bewertungen des AKW Mühleberg durch das ENSI ein erheblicher Anforderungskatalog. Der Mangel an notwendigen Untersuchungen stellt nach wie vor ein unkalkulierbares Risiko dar.
Dass die Auslegung vor allem der Notkühlung und der Notstromversorgung nicht ausreicht, wurde oben dargestellt.
9. Keine unbefristete Bewilligung
Die widersprüchlichen Aussagen des ENSI und die zum Teil grossen Differenzen zwischen ENSI und BKW bestätigen das Misstrauen in den Betrieb des AKW Mühleberg.
Es ist hinreichend belegt, dass die Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb des Atomkraftwerks Mühleberg und der Schutz von Mensch und Umwelt nicht gewährleistet sind.
Die Frage stellt sich nicht, ob die Befristung der Betriebsbewilligung aufgehoben wird, sondern wann endlich die Ausserbetriebnahmekriterien konsequent angewendet werden und das AKW stillgelegt wird.