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Je mehr desto besser? Gedanken zur Finanzkrise

Die aktuelle Finanzkrise rüttelt viele von uns auf und weckt teilweise auch Existenzängste. Die Massenmedien verbreiten düstere Zukunftsprognosen: Unsere Wirtschaft soll kaum mehr wachsen, die Reallöhne gleich bleiben oder sinken und die Gradmesser an den weltweiten Börsen zeigen nach unten. Praktisch die ganze westliche Welt reibt sich die Augen und fragt besorgt: Wie soll es weiter gehen? Womit können wir unsere Wirtschaft wieder ankurbeln, mit Aktien Gewinne von 15% und mehr pro Jahr erzielen?

Wir haben uns in den vergangenen Jahren daran gewöhnt, unseren materiellen Wohlstand in rasantem Tempo zu erhöhen. Wie ein mächtiges Schwungrad nahm die wirtschaftliche Entwicklung ihren Lauf. Man brauchte nur aufzusitzen und wurde mitgetragen. Kein Wunder, dass die wenigen Fragen nach dem Sinn und Zweck dieser Entwicklung überhört wurden. Jetzt, wo dieses Schwungrad wesentlich gemächlicher dreht und einige sogar den Stillstand oder das Rückwärtsdrehen prophezeien, darf man aber wieder Fragen stellen.

Es ist gar noch nicht so lange her – unsere Grosseltern haben diese Zeit noch erlebt -da führte jeder zusätzliche Franken in der Geldbörse letztendlich zu einer Zunahme der Lebensqualität. Mit anderen Worten: Vor nicht allzu langer Zeit bedeutete mehr materieller Besitz automatisch eine Verbesserung der Lebenssituation. Die meisten von uns haben dieses Je-mehr-desto-besser-Prinzip ohne darüber nachzudenken übernommen und folgen ihm aus purer Gewohnheit. Nur so ist es zu erklären, weshalb wohlhabende Nationen in eine depressive Stimmung verfallen, wenn der Reallohn plötzlich nicht mehr steigt oder wenn Umsätze und Gewinne der Unternehmen stagnieren.

Jeder muss für sich selbst herausfinden, ob er mit den heutigen Einnahmen ein glückliches Leben führen kann bzw. ob er dazu mehr materiellen Wohlstand braucht. Diese Frage sollte man sich selbst aber schon stellen, denn ab einem gewissen Niveau bedeutet mehr materieller Wohlstand nicht automatisch mehr Zufriedenheit und Glück. Irgendwann haben wir genug zu essen, genügend Kleider, eine genügend grosse Wohnung, genug Schmuck, genügend Mobilität, usw. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, wo Geld zum Selbstzweck wird, wo es unsere Lebensqualität nicht mehr verbessern kann. Wo zusätzliches Geld uns sogar Zeit raubt, weil wir uns damit befassen müssen, was wir damit konsumieren wollen oder wie wir es anlegen können. Spätestens dann gilt das Je-mehr-desto-besser-Prinzip nicht mehr. Dann stellt sich die Frage nach dem Optimum: Wie viel materiellen Wohlstand will bzw. brauche ich um glücklich und zufrieden zu leben.

Diese Frage stellt sich nicht nur privat sondern auch für Firmen und Organisationen. Es macht wenig Sinn, jedes Jahr noch mehr Güter zu produzieren. Irgendwann ist genug da von allem, was wir brauchen. Das Je-mehr-desto-besser-Prinzip hat ausgedient und die Zeit der individuellen Optimierung ist gekommen.

Ist es nicht herrlich, genug zu haben – entscheiden zu können, wie viel wir wollen? Befreien wir uns doch vom Zwang immer mehr materiellen Wohlstand anstreben zu müssen! Suchen wir stattdessen ein gesundes Optimum für unsere Lebensqualität. Entscheiden wir selbst, was für uns persönlich richtig ist.

ΞBedürfnisse des Menschen | Selbstbestimmung

1 Gedanke zu „Je mehr desto besser? Gedanken zur Finanzkrise“

  1. So’s denn endlich gehört wird
    Ihr Wort in Gottes Ohr. Bei den Menschen scheints ja nicht anzukommen.

    Alle Jahre wieder werden bei grösseren Unternehmen irgendwelche “Optimierungs-(pseudo)Philosophien” aka Strategie (Einzahl) unter die Angestellten gebracht. Unter verschiedenen Begriffen wird der gleiche alte, abgestandene Wein in neuen Schläuchen serviert.

    Der essighafte Wein heisst, Leistungsbereitschaft bis an die Grenze. Gewinnoptimierung etc. Mein Fazit: Die Firmernchefs sind kaum mehr als Ziehfiguren der Aktionäre und in höchstem Masse unglaubwürdig.

    Der brutalste Weltwirschaftskrieg ist in vollem Gange. Heute genannt: Globalisierung.

    Echtes kreative Handeln wird zwar gefordert aber, nur wenn dabei eine Gewinnoptimierung herausschaut. Also Fehlanzeige. Willkürliche Begriffsverdrehungen noch und noch.

    Alles was nicht mitmacht bleibt auf der Strecke, wer mitmacht mit der Zeit leider auch.

    Auswege? Ich bin der Überzeugung das dieses System kollabieren wird und dann wirds mit Sicherheit auch nicht lustig.

    Das Wort >Besinnung< ist wahrscheinlich nur für Andachtsstätten gedacht. Trotzdem, gute Wünsche Z.

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