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Finanzkrise – notwendige Rahmenbedingungen für das Finanzwesen

Zur Beendigung der derzeitigen weltweiten Finanzkrise werden die unterschiedlichsten Mittel vorgeschlagen: Die Banken verlangen mehr Geld zu günstigeren Konditionen vom Staat, staatliche Garantien für ihre eigene Stabilität und immer häufiger auch Konjunkturförderprogramme. Gewerkschaften und Linke fordern zusätzlich strengere Rahmenbedingungen für den Finanzmarkt. Namentlich die exorbitanten Saläre und Boni der sogenannten “Finanzspezialisten” sind ihnen ein Dorn im Auge.

Die Gefahr ist jedoch sehr gross, dass mit staatlichen Mitteln nur die Symptome und nicht die wirklichen Ursachen der Finanzkrise bekämpft werden. Auch wer die Entschädigung von Bankern (temporär) begrenzen will, befasst sich nur mit den Auswüchsen bzw. den Symptomen eines kranken Finanzsystems.

 

Das eigentliche Problem des weltweiten Finanzsystems ist die Loslösung von der Realwirtschaft. Geld wird nicht mehr nur als Zahlungsmittel für Güter und Dienstleistungen, sondern als selbst arbeitende Gewinnanlage betrachtet. Da aber Geld alleine unmöglich neue Werte schaffen kann, wird eine virtuelle Welt geschaffen – eine Art Parallelwelt zur realen Welt. Dies geht solange gut, wie die Mehrheit der Marktteilnehmer an das Wachstum dieser virtuellen Welt glaubt. Sobald die Vorzeichen umkehren, Unsicherheit oder gar Panik ausbricht, versuchen die Marktteilnehmer ihre Gewinne aus der oben erwähnten virtuellen Parallelwelt zu realisieren. Da keine realen Werte dahinterstecken, fehlt das notwendige Geld zur Auszahlung dieser Gewinne und das virtuelle System bricht zusammen. Es ist dann vergleichbar mit einem Schneeballsystem beim Zusammenbruch, bei dem die ersten Teilnehmer bereits früher hohe Gewinne erzielt haben und die letzten ihr ganzes Geld verlieren.

Die Unterscheidung zwischen der realen und der virtuellen (Finanz-) Welt ist nicht immer einfach und wird zum Teil auch ganz bewusst verwischt. Das Kollabrieren der virtuellen Welt hat in jedem Falle auch negative Auswirkungen auf die reale Welt bzw. auf die Industrie: Die Banken versuchen zum Beispiel durch Kürzen und Kündigen von bestehenden Krediten für industrielle Unternehmen zusätzliche liquide Mittel zu erhalten. Zudem können sie den produzierenden Unternehmen plötzlich keine neuen Kredite mehr zur Verfügung stellen, was unweigerlich zu ernsthaften Problemen in der realen Wirtschaft führt.

Wer die Ursachen der Finanzkrise wirklich beheben will, muss deshalb dafür sorgen, dass im weltweiten Finanzsystem in Zukunft wieder allen Geschäften reale Werte zugrunde liegen. Geld darf kein neues Geld schaffen. Geld ist ein Hilfsmittel bzw. ein Mittel zum Zweck und nicht das Ziel unseres Daseins oder unseres Handelns. Die neuen Rahmenbedingungen für die Finanzwirtschaft müssen deshalb weltweit lauten:

  • Jedem Finanzgeschäft müssen reale Werte zugrunde liegen. Sogenannte hebelverstärkte Spekulationen (engl. leveraged speculation) sind verboten. Dies bedeutet u.a. ein Verbot von Optionen, Futures und Derivaten.
  • Man darf nur verkaufen, was man auch besitzt. Leerverkäufe (engl. short sales) sind somit nicht erlaubt.

Ohne diese eigentlich sehr einfachen Regeln oder Rahmenbedingungen ist es nur eine Frage der Zeit, bis die nächste weltweite Finanzkrise auftritt, bis sich wieder eine Blase gebildet hat, welche dann plötzlich in sich zusammenfällt und auch die Realwirtschaft in Probleme stürzt.

 

Zinsen verstärken Ungleichheiten

Wenn man vom Finanzsystem spricht, sollte man aber auch die Zinsproblematik erwähnen: In weltweit allen Ländern nimmt der Unterschied in der Kaufkraft zwischen einer sehr kleinen Oberschicht, welche immer reicher wird und dem Rest der Bevölkerung, stetig zu. Eine der Hauptursachen dafür liegt bei unserem Zinssystem. Wer “ein paar Millionen” auf der Seite hat, kann bequem von den Erträgen seines Vermögens leben und dieses auch ständig vermehren, während die traditionelle Arbeit im Vergleich dazu sehr schlecht honoriert wird. Mit Geld ist in unseren politischen Systemen auch sehr viel Macht und Einfluss verbunden, deshalb ist diese Entwicklung sehr ungesund.

Es müsste verboten sein, durch blosses Ausleihen von Geld Gewinne zu erzielen, nur die effektiven Kosten und Risiken dürften dem Schuldner verrechnet werden. Da ein Zinsverbot oder zumindest eine drastische Reduktion des Maximalzinses wohl kurzfristig schwierig zu realisieren sein dürfte, wäre ein erster, wichtiger Schritt die Beschränkung der Vererbbarkeit von Vermögen. Wenn man jene Vermögen, welche einen Freibetrag von z.B. einer Million übersteigen, bei Schenkung oder Vererbung an die direkten oder indirekten Nachkommen mit einem sehr hohen Prozentsatz besteuert, würde einerseits der Anreiz zum Horten von solchen Vermögen stark sinken und andererseits dadurch auch die Chancengleichheit innerhalb der Bevölkerung stark verbessert.

 

Persönliche Verantwortung wahrnehmen

Man sollte in diesem Zusamenhang aber nicht nur auf Andere zeigen und Massnahmen vom Staat erwarten. Letztendlich hat auch jeder persönlich einige Möglichkeiten, mit seinem Verhalten zu einem sinnvollen Umgang mit Geld beizutragen, seine persönliche Verantwortung wahrzunehmen. Man kann freiwillig auf Finanzspekulationen verzichten und sein Geld in nachhaltige und sinnvolle Projekte investieren. Sein Sparguthaben kann man zudem auf einer Bank deponieren, welche sich nicht der Gewinnmaximierung unterwirft, sondern ethische Grundsätze verfolgt (Beispiele: Alternative Bank der Schweiz, Freie Gemeinschaftsbank). Eine solche Bank setzt auch die Sparguthaben primär zur Finanzierung von sozialen und ökologischen Projekten ein.

Weitere Texte zum Thema:

ΞSelbstbestimmung | Verantwortung | Zielsetzungen

3 Gedanken zu „Finanzkrise – notwendige Rahmenbedingungen für das Finanzwesen“

  1. Regeln oder Überwachung für die Finanzwirtschaft

    Eine u.a. vom Nobelpreisträger J.E. Stiglitz vorgeschlagene Zulassungsbehörde für Finanzprodukte nach dem Vorbild der Arzneimittelzulassung tönt ebenfalls vernünftig.

    Nahrungsmittel und Arzneimittel werden erst dann zugelassen, wenn sie durch eine Zulassungsbehörde als ungefährlich und sicher befunden werden. Wer z.B. ein neues Medikament auf den Markt bringen will, muss diese Behörde erst davon überzeugen, dass das Medikament wirksam ist und keine unzulässigen Nebenwirkungen verursacht. Analog sollte nach dem Vorschlag von Stiglitz eine Zulassungsbehörde für Finanzprodukte geschaffen werden.

    (Interessant zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass es im Islam bereits eine Zulassungsbehörde für Finanzprodukte gibt, wobei diese allerdings die Kompatibiliät mit der Scharia beurteilt. Da aber stark risikobehaftete Investitionen nicht kompatibel mit der Scharia sind, wurden das islamische Bankensystem von der aktuellen Finanzkrise wesentlich weniger stark getroffen als das westliche).

     

  2. Schaffung einer Monetative

    Der grösste Teil des Geldes wird heute von privaten Banken geschöpft. Dies macht die Steuerung der Geldmenge durch die Zentralbanken schwierig und war eine wichtige Ursache für die derzeitige Finanzkrise. Eine europäische Initiative will dies ändern:

    Alles Geld soll ausschließlich von einer unabhängigen öffentlichen Stelle geschöpft werden. Dies wäre eine vierte Gewalt im Staat, die Monetative. In Ergänzung der Legislative, Exekutive und Judikative. Die Stelle müsste, ähnlich wie die Gerichte, unabhängig gestellt und nur dem Gesetz verpflichtet sein – unabhängig gegenüber Begehrlichkeiten von Regierung und Parlament, aber auch gegenüber Forderungen der Banken und anderer Geschäftsinteressen. In einer solchen Geldordnung können auch lokale Komplementärwährungen oder kooperative Verrechnungssysteme ihren Platz haben.

    Mehr Informationen siehe Monetative.org

  3. System-Change
    Die Mindestmassnahme, die absolut not-wendig ist, wäre ein Umlaufsicherung für das “Geld”, damit es nicht mehr zum Horten verwendet werden kann, sondern am Fliessen bleibt. (Helmut Creutz)
    Ob das dann langt oder durch Weiteres ergänzt werden muss, kann nur die Praxis zeigen.
    Leider ist momentan weder mit der Einführung einer Umlaufsicherung zu rechnen noch mit ausreichend Geduld, deren Wirkungen abzuwarten…

    Hans

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