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Erneuerbare Energie ist im Überfluss vorhanden

Es brauchte keine Atomkraftwerke, um die Schweiz auf 100 Prozent CO2-freie Energiequellen umzustellen

Dieser Artikel erschien in ähnlicher Form als Gastkommentar von Jürg Rohrer im Tagesanzeiger vom 13. Februar 2019

Mit der Annahme der Energiestrategie 2050 hat das Schweizer Volk entschieden, auf ein Energiesystem basierend auf erneuerbare Energien umzusteigen. Dieses wird strombasiert sein, was einen vollständigen Übergang auf elektrische Fahrzeuge, Wärmepumpen und synthetische Treibstoffe bedingt. Dadurch wird sich der Strombedarf in Zukunft erhöhen. Dieser Bedarf kann aber durch einheimische erneuerbare Energie gedeckt werden.

Grosses Ausbaupotential

Es gibt noch ein gewaltiges, ungenutztes Potential an erneuerbaren Energien in der Schweiz. Der grösste Teil liegt bei der Solarenergie, gefolgt von Windenergie, Biomasse und Wasserkraft. Bisher nutzen wir erst 7% des Potentials an neuen erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung, 93% liegen brach. Diese Ausgangslage ist perfekt: Selbst wenn der Schweizer Strombedarf um die Hälfte steigen sollte, könnte dieser mit einheimischem, erneuerbarem Strom gedeckt werden!

Erneuerbare Energien sind die kostengünstigste Lösung

Wir geben jedes Jahr 11.5 Milliarden Franken für den Kauf von fossilen Energien wie Oel, Gas, Benzin, Diesel und Kerosin aus. Würde dieses Geld während fünf Jahren stattdessen in Solar- und Windkraftanlagen investiert, könnten alle geeigneten Dächer und Fassaden in der Schweiz mit Solaranlagen ausrüstet, alle gut geeigneten Windparks gebaut und die zum Ausgleich von Nachfrage und Produktion notwendigen dezentralen Speicher errichtet werden. Mit dem Geld, welches die Schweiz in nur fünf Jahren für fossilen Energien ausgibt, kann ein neues Energiesystem gebaut werden, welches 70% des heutigen Strombedarfes abdeckt. Die Wasserkraft deckt bereits 60% des Jahresbedarfes. Zusammen liesse sich damit etwa 130% unseres aktuellen Strombedarfes decken. Genug, um auch die Elektromobilität und den Umstieg auf Wärmepumpen versorgen zu können.

Im Unterschied zu den bisherigen Energieträgern fallen bei den erneuerbaren Energien keine Brennstoffkosten und damit – ausser für Unterhalt – keine laufenden Kosten an. Für rund 57 Milliarden Franken könnte die Schweiz ihr Energiesystem fit für die Zukunft machen und der nächsten Generation eine CO2-freie, preiswerte und nachhaltige Energieversorgung übergeben. Das ist bezahlbar – alleine der Jahresgewinn der Nationalbank betrug 2017 zirka 54 Milliarden Franken.

Profiteure säen Zweifel an der Machbarkeit

Die Wissenschaft hat die Fakten zu den Ursachen und Konsequenzen der Klimakrise geliefert. In der Schweiz sind das Wissen, die Technologien, die Ausbaupotentiale und das Geld vorhanden, um rasch auf ein Energiesystem bestehend aus 100% erneuerbaren Energien umzusteigen. – Es gibt aber eine starke Lobby, welche dies nicht will. Von den 11.5 Milliarden Franken Umsatz pro Jahr für fossile Energien profitieren nicht nur Energieversorger, sondern auch ihre Verwaltungsräte (oft Politiker), Lobbyisten, Verbände, Zulieferer oder PR-Leute. Sie suggerieren, es könne alles so weitergehen. Klimaschutz sei nicht notwendig oder nicht wie geplant machbar.

Es braucht faire Gesetze

Es geht um den Kampf gegen die Klimakatastrophe. Gut gemeinte Aufrufe zur freiwilligen Verhaltensänderung wirken viel zu langsam. Beispiele gibt es genug: Der Sicherheitsgurt im Auto wurde erst zur Selbstverständlichkeit, als die Benutzung obligatorisch wurde. Auch damals wurde mit der «Entscheidungsfreiheit» und «Bevormundung» dagegen argumentiert.

Massnahmen und Gesetze, welche sich an der Notwendigkeit des Klimaschutzes orientieren, sind dringend notwendig. Die Politik darf nicht länger mit Argumenten wie «man darf das Fuder nicht überladen» oder «es ist nicht mehrheitsfähig» den Klimaschutz ausbremsen. Diese Gesetze müssen alle gleich behandeln, keine Branche oder Organisation darf sich freikaufen können.

Dies gäbe der Wirtschaft die dringend notwendige Investitionssicherheit und würde bei der Bevölkerung die Akzeptanz schaffen. Die Schweiz hat beste Voraussetzungen für ein Energiesystem basierend auf 100% einheimischen erneuerbaren Energien. Mit der Realisierung können wir gleichzeitig die Versorgungssicherheit gewährleisten, Arbeitsplätze schaffen und unseren Beitrag zur Abwendung der globalen Klimakatastrophe leisten.

Jürg Rohrer ist Prof. für Ecological Engineering an der ZHAW Wädenswil, Präsident der Energieallianz Linth und Vorstandsmitglied bei VESE, dem Verband der unabhängigen Energieerzeuger Schweiz

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