Da grundsätzlich jede denkbare Aufgabe zur persönlichen Weiterentwicklung einer Person dienen kann (und sollte), wollen wir in der Folge das Übernehmen von Aufgaben unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Jedermann kann selbst entscheiden, ob er eine bestimmte Aufgabe annehmen und ausführen will. Bevor eine Aufgabe angenommen wird, sollte man aber unbedingt überprüfen, ob die Aufgabe zu einem passt, d.h. einerseits ob sie mit den persönlichen Zielsetzungen verträglich ist und andererseits ob man die für die Bearbeitung notwendigen Fähigkeiten hat. Damit sind nicht nur handwerkliche oder intellektuelle Fähigkeiten, sondern insbesondere auch das Bewusstsein gemeint. Wer eine Aufgabe annimmt, ist verantwortlich für die Kontrolle, ob er die Fähigkeiten hat, die Aufgabe zu lösen.
Dies ist eine Folge der Selbstverantwortung: Jeder muss frei und selbständig entscheiden können, ob er eine bestimmte Aufgabe annehmen will oder nicht. Man kann ja nicht jemandem eine Aufgabe aufzwingen und ihn nachher für die Folgen verantwortlich machen!
Wer den Test, ob die Aufgabe zu ihm passt, nicht oder unehrlich ausführt, läuft Gefahr, eine Aufgabe anzunehmen, welcher er nicht gewachsen sein wird. Oder er könnte eine Aufgabe annehmen, welche zu Zielsetzungen beiträgt, die mit seinen eigenen Zielen nicht kompatibel sind und deshalb seine persönliche Entwicklung negativ beeinflusst. Für die Folgen seiner Entscheidung, die Aufgabe anzunehmen, ist diese Person dann aber voll und ganz verantwortlich (Prinzip der Selbstverantwortung).
Wir haben dazu im vorherigen Abschnitt als Beispiele den Sprung von einem Felsvorsprung ohne zu wissen, wie tief der Abgrund ist und das Fahren im Auto mit beschlagener Frontscheibe genannt. In diesen Beispielen muss den betroffenen Personen jeweils klar sein, dass sie nicht sehen, was sie tun, bzw. dass sie die Folgen ihrer aktuellen Handlung nicht abschätzen können. Sie ignorieren damit ihren gesunden Menschenverstand. Dafür sind diese Personen selbst verantwortlich.
Kommen wir zurück zu unserem Vergleich mit einer Schule oder Universität: Wenn ein Schüler der Grundstufe an einer Vorlesung an der Universität über die Relativitätstheorie teilnimmt, wird er nichts dazu lernen, weil ihm die notwendigen Grundlagen fehlen. Möglicherweise verpasst er aber gleichzeitig eine für ihn wichtige Unterrichtsstunde in der Grundstufe. Anstatt wie beabsichtigt seine persönliche Entwicklung zu beschleunigen, hat er durch die Überforderung Zeit vergeudet. Vielleicht hat er sogar einem «richtigen» Studenten einen Platz in der besagten Vorlesung weggenommen, so dass diesem nun Teile seiner Ausbildung fehlen.
Im Pyramidenmodell, bei dem wir die menschliche Entwicklung mit dem Bau einer Pyramide vergleichen, kann man das Übernehmen von zu schwierigen Aufgaben ebenfalls leicht veranschaulichen: Es entspricht jemandem, welcher einige Schichten in der Pyramide auslassen will. Anstatt die nächste Schicht von Steinen über die vorhandenen zu legen, versucht er bereits eine weiter oben liegende Schicht zu bauen. Es ist leicht einzusehen, dass dies nicht gut gehen kann…
Es ist daher eminent wichtig zu prüfen, ob die an uns gestellten Aufgaben «zu uns passen». Nur weil mir eine Aufgabe angeboten oder übertragen wird, heisst noch lange nicht, dass diese Aufgabe auch zu mir passt. Jede Aufgabe erfordert sowohl bestimmte handwerkliche und geistige Fähigkeiten bzw. Kenntnisse sowie ein bestimmtes minimales Bewusstsein vom Ausführenden. Dieser ist letztendlich verantwortlich für die Kontrolle, ob alle Fähigkeiten – darin inbegriffen insbesondere die Fähigkeiten zur Wahrnehmung der Folgen dieser Aufgabe – bei ihm vorhanden sind.
Mit der Ausführung von Aufgaben trägt der Ausführende automatisch zu den Zielen bei, aus denen die Aufgaben entstanden sind. Falls diese Ziele mit seinen eigenen Zielsetzungen kompatibel sind, trägt das Lösen der Aufgaben zu seiner persönlichen Entwicklung bei, anderenfalls behindert dies seine persönliche Entwicklung. Im letzteren Falls sollte er die Aufgaben besser nicht annehmen.