Bereits in der Einleitung dieses Kapitels haben wir festgestellt, dass sich Fähigkeiten und Zielsetzungen offenbar gegenseitig beeinflussen. In unseren beiden Modellen ausgedrückt, betrachten wir das Verhältnis zwischen der Lichtkugel, welche unsere Fähigkeiten darstellt und der Klangschale, welche die entsprechende Zielsetzung darstellt. Anscheinend können die Klangschale und die Lichtkugel nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Es findet eine gegenseitige Beeinflussung statt1.
Wir haben bisher gesehen, dass die Fähigkeiten in uns nur entwickelt werden können, wenn wir eine entsprechende Zielsetzung verfolgen. Eine Lichtkugel kann sich nur weiter entwickeln, wenn in uns eine Klangschale schwingt, welche die entsprechende Zielsetzung repräsentiert. So ist zum Beispiel zur Vergrösserung unserer Bewusstseins-Kugel eine Klangschale mit der Zielsetzung «die Grundrechte des Seins respektieren» notwendig. Die Anzahl der Klangschalen und der Lichtkugeln sind aus diesem Grund auch identisch.
Im Modell mit den Klangschalen gehen wir davon aus, dass wir jeweils jene Zielsetzung zur Leitlinie für eine Entscheidung wählen, welche gerade am intensivsten schwingt. Mehr von seiner Energie in eine Zielsetzung zu geben bewirkt deshalb, dass die entsprechende Klangschale intensiver schwingt. Je mehr von unserer persönlichen Energie wir in eine bestimmte Zielsetzung geben, desto intensiver können wir dieses Ziel verfolgen. Wir setzen dadurch die Prioritäten in unseren Zielsetzungen.
Anhand der obigen Beispiele mit dem Fussballspieler und dem Programmierer haben wir gesehen, dass aber umgekehrt auch die bereits vorhandenen Fähigkeiten (Lichtkugeln) die Wahl der Zielsetzung (Klangschale) bei einer Entscheidung beeinflussen können. Es entsteht eine Art Eigendynamik: Die Zielsetzung bewirkt die Entwicklung der entsprechenden Fähigkeiten. Andererseits bewirken bereits vorhandene Fähigkeiten, dass die entsprechende Zielsetzung vermehrt zur Leitlinie für Entscheidungen gewählt wird.
Abbildung 9: Beeinflussung von Lichtkugel und Klangschale
Übertragen wir diese Feststellung auf die beiden Modelle: Wenn wir unsere persönliche Energie zur Verfolgung einer bestimmten Zielsetzung einsetzen, so beginnt die entsprechende Klangschale stärker zu schwingen. Je mehr von unserer Energie wir dazu einsetzen, desto intensiver schwingt diese Klangschale.
Dies führt dazu, dass wir die betreffende Zielsetzung öfter als Leitlinie für unsere Entscheidungen wählen. Durch dieses häufige Training können sich unsere Fähigkeiten zur Erreichung des Ziels entwickeln. Die dieser Fähigkeit entsprechende Lichtkugel um uns vergrössert sich.
Wenn wir also zum Beispiel dem Leben der Grundrechte des Seins eine hohe Priorität zuordnen, so wird die diesem Ziel entsprechende Klangschale besonders intensiv schwingen und somit laut tönen. Diese Zielsetzung werden wir deshalb häufig als Leitlinie für unsere Entscheidungen wählen. Dies führt dazu, dass sich die weisse Lichtkugel vergrössern kann – unser Bewusstsein entwickelt sich.
Zwischen der Lichtkugel und der Klangschale fliessen die Energien aber in beiden Richtungen: Die Schwingungen der Klangschale ermöglichen die Vergrösserung der Lichtkugel und umgekehrt begünstigt das Leuchten der Lichtkugel das Schwingen der entsprechenden Klangschale. Zwischen Klangschalen und Lichtkugeln bzw. zwischen Zielsetzungen und Fähigkeiten findet wie bereits erwähnt eine Wechselwirkung statt. Man kann dies in der Technik mit schwingungsfähigen Systemen vergleichen. Zum Beispiel mit einem Schwungrad, einer mechanischen Feder oder einem LC-Glied in der Elektrotechnik. Wir wollen dies anhand einem einfachen elektrischen Schwingkreis mit einer Stromquelle Q, einer Induktivität L, einer Kapazität C und einer Lampe R gemäss Abbildung 10 kurz diskutieren:
Abbildung 10: LCR-Glied und Feder
Die Spannungsquelle Q entspricht einer Klangschale und die übrigen Elemente ergeben zusammen eine Lichtkugel. Die Grösse der Lichtkugel wird durch die Lichtstärke der Lampe symbolisiert. Je mehr Energie in diesem System schwingt, desto heller leuchtet die Lampe.
Ohne äussere Energiezufuhr wird das System allmählich langsamer schwingen und die Lampe dunkler werden. Wenn wir dem System von aussen aber genügend Energie zuführen, werden die Schwingungen verstärkt und die Lampe wird immer heller leuchten. Der Zufuhr von elektrischer Energie in unserem Modell entspricht im realen Leben die Energie, welche wir zur Verfolgung einer bestimmten Zielsetzung einsetzen. Wie wir bereits mehrfach festgestellt haben, können sich unsere Fähigkeiten – also unsere Lichtkugeln – um so besser entwickeln, je mehr von unserer eigenen Energie wir selbst für die Erreichung der entsprechenden Zielsetzung zur Verfügung stellen. In unserem Modell ausgedrückt, geben wir durch die Spannungsquelle (Klangschale) Energie in den Schwingkreis. Dies erhöht die Energiemenge im schwingungsfähigen System und führt dadurch zu einem verstärkten Leuchten der Lampe.
Selbst wenn wir von aussen keine Energie mehr zuführen, wird das System weiterhin schwingen, die Lampe in Abbildung 10 wird weiterhin leuchten. Je nach Eigenschaften der Elemente des Schwingkreises kann die Lampe noch sehr lange oder nur noch kurze Zeit leuchten. Bei der Spannungsquelle Q messen wir nach wie vor eine Spannung. Dies entspricht der Wechselwirkung zwischen Klangschale (Spannungsquelle) und Lichtkugel (Lampe bzw. restlicher Stromkreis).
Der Vergleich mit schwingungsfähigen Systemen aus der Technik erlaubt uns noch eine andere, sehr wichtige Eigenschaft zu illustrieren: Es ist sehr schwierig, seine Zielsetzung plötzlich zu ändern. Wer lange Zeit gewisse Zielsetzungen verfolgt hat und diese nun von einem Tag auf den anderen durch nicht kompatible Zielsetzungen ersetzt, wird unweigerlich feststellen, dass er immer wieder Entscheidungen mit den alten, nicht mehr gültigen Zielsetzungen als Leitlinie treffen wird.
Man kann dieses Verhalten mit einer Gewohnheit erklären, welche sich über lange Zeit eingeschliffen hat. Es gibt aber mit der soeben diskutierten Beeinflussung zwischen den Klangschalen und den Lichtkugeln eine weitere Erklärungsmöglichkeit dafür:
Im Laufe der Zeit haben wir uns gewisse Fähigkeiten zum Erreichen der alten Ziele angeeignet. Diese Fähigkeiten sind natürlich auch noch dann vorhanden, wenn wir die entsprechenden Zielsetzungen über Bord werfen. Es kommt sogar noch schlimmer: Diese Fähigkeiten werden dazu führen, dass die nicht mehr gültigen Zielsetzungen noch einige Male wieder in uns aktiviert werden, so dass wir sie zur Leitlinie bei einer Entscheidung machen.
Wenn jemand zum Beispiel bisher versucht hat, sämtliche Konflikte durch Gewaltanwendung zu regeln, genügt es nicht, sich einfach ein gewaltloses Verhalten als Ziel zu setzen. Sobald diese Person sich gereizt fühlt, wird sie mehr oder weniger automatisch versuchen, wie früher mit roher Gewalt drein zu schlagen. Ein solches Verhalten lässt sich nur allmählich ändern. Die neue, mit der alten nicht kompatible Zielsetzung, wird erst mit der Zeit zur Leitlinie der Entscheidungen. Für diesen Übergang ist ein starker Wille notwendig.
Wir haben die Lichtkugeln und die Klangschalen oben mit einem schwingungsfähigen technischen System verglichen. Dies verhält sich völlig analog: Ein Schwungrad steht nicht sofort still, wenn wir es nicht mehr antreiben. Eine Feder hört nicht auf zu schwingen, sobald wir sie nicht mehr anregen. Wenn wir ideale schwingungsfähige Systeme stoppen wollen, müssen wir gleich viel Energie für das Stoppen einsetzen, wie wir seinerzeit für die Beschleunigung eingesetzt haben. Daraus können wir mehrere Schlussfolgerungen ziehen:
- Es ist nicht nur anstrengend gewisse Zielsetzungen zu verfolgen, sondern es ist genauso anstrengend, seine Zielsetzungen zu ändern. Je nachdem wie stark wir unsere entsprechenden Fähigkeiten entwickelt haben, werden diese Zielsetzungen uns noch eine Weile verfolgen, bis wir sie endgültig weglegen können. Nicht zuletzt erklärt dies auch, weshalb die menschliche Entwicklung viel Zeit braucht. Denn genauso wie wir uns ein neues Verhalten oder neue Fähigkeiten durch Training aneignen, so lassen wir durch das Training bereits bestehende Verhaltensweisen und Fähigkeiten erst allmählich wieder los.
- Es lohnt sich seine Ziele sorgfältig auszuwählen. Denn mit der Wahl der Zielsetzungen beginnen wir Fähigkeiten zu entwickeln. Wenn wir später unsere Zielsetzung ändern, müssen die früheren Fähigkeiten oftmals in einem langsamen Prozess zuerst wieder aufgelöst werden.
Diese Feststellungen gelten übrigens für alle Zielsetzungen, welche nicht kompatibel sind miteinander. Die Wahl der Zielsetzungen für unser Leben hat so gravierende Folgen für uns selbst und für unsere Umwelt, dass man eigentlich die Menschen zwingen sollte, sich periodisch Gedanken darüber zu machen!
Wir wollen damit niemandem das Leben der Grundrechte des Seins als höchste Zielsetzung aufzwingen. In der Wahl der persönlichen Zielsetzung sollte selbstverständlich jedermann völlig frei sein, aber zumindest sollte man sich Gedanken über die eigenen Ziele machen (müssen).
1) Damit wir nicht in eine Diskussion enden, ob zuerst das Huhn oder das Ei vorhanden war, müssen wir klarstellen, dass sich die Fähigkeiten nur entwickeln können, falls eine entsprechende Zielsetzungen vorhanden ist. Es kann demzufolge nicht sein, dass unsere Fähigkeiten unsere Zielsetzungen bestimmen. Falls wir mehrere Zielsetzungen verfolgen, können unsere Fähigkeiten aber die Auswahl der für eine Entscheidung als Richtlinie gewählten Zielsetzung beeinflussen.