Im vorhergehenden Abschnitt haben wir die menschliche Entwicklung mit dem Bau einer Pyramide verglichen, wo Stein für Stein auf seinen Platz gesetzt werden muss. Es stellt sich deshalb nun die Frage, wie die Einhaltung der Grundrechte des Seins geübt werden kann, um möglichst rasch in den angestrebten Zustand der totalen Harmonie, des Glücklichseins zu kommen und insbesondere auch in diesem Zustand zu bleiben. Wie bauen wir am effizientesten an unserer Pyramide der persönlichen Entwicklung? Kann man dafür Kurse besuchen, werden spezielle Trainings angeboten?
Die gute Nachricht ist: Ja, es gibt eine Menge solcher Trainings, sie kosten kein Geld und werden immer und jederzeit angeboten – es handelt sich dabei um nichts anderes als um unser Leben! Indem wir leben, nehmen wir automatisch an einem solchen Training teil. Wir werden weiter unten darauf zurückkommen.
Wir haben gesehen, dass die Grundrechte des Seins respektiert werden müssen, um in den dauernden Zustand der totalen Harmonie zu kommen. Man könnte deshalb in Versuchung kommen, sich möglichst weit von der Zivilisation abzusondern, um alleine ein Leben ohne Verletzung der Grundrechte des Seins zu versuchen. Dies wäre aber kaum die effizienteste Art sich weiter zu entwickeln:
Damit wir die Grundrechte des Seins in jeder Situation einhalten, sollten wir sie richtiggehend «leben», so quasi die Grundrechte des Seins «sein». Es sollte uns nicht schwer fallen, dem Gesetz zu folgen, sondern wir sollten es automatisch tun. Dieser Automatismus ist uns leider nur teilweise angeboren, wir können ihn aber durch Übung in uns weiterentwickeln.
Vergleichen wir dies mit dem Autofahren: Der Lenker eines Autos bewegt das Steuerrad automatisch, um auf der richtigen Fahrspur zu bleiben, genauso wie er auch automatisch mit dem Fuss aufs Bremspedal drückt, um zu bremsen – oder denken Sie jeweils beim Autofahren «ich muss das Steuerrad ein bisschen nach rechts drehen, damit ich nicht auf die falsche Fahrspur gelange» oder «jetzt sollte ich den rechten Fuss vom Gas nehmen, aufs Bremspedal setzen und dann mit dem Fuss drücken»? Es handelt sich hier um typische Automatismen, welche wir uns durch Übung angeeignet haben. Wir handeln automatisch, ohne daran denken zu müssen und können uns beispielsweise gleichzeitig problemlos mit jemandem unterhalten.
Beim Erlernen der Fähigkeiten für das Autofahren werden individuelle Unterschiede sichtbar: Während gewissen Personen das Rückwärtsfahren oder seitliche Einparken in eine enge Parklücke anfänglich grosse Schwierigkeiten bereitet, haben andere mehr Mühe, die Bedeutung der Verkehrssignale zu lernen und automatisch umzusetzen. Wenn der Wille zum Erlernen der entsprechenden Fähigkeit vorhanden ist, bleibt der Erfolg aber nicht aus.
Das Charakteristische am Beispiel mit dem Autofahren ist die Tatsache, dass wir uns einen Automatismus nur durch konsequentes Üben aneignen können (Übung macht den Meister). Dies gilt auch für sehr viele andere Beispiele, wie zum Beispiel Skifahren, Fremdsprachen sprechen, Musizieren, Singen, Rechnen, Paartanzen usw. Oder versuchen Sie doch einmal ohne zu Üben das Spielen eines Musikinstrumentes zu erlernen! – Es geht einfach nicht.
Genauso ist es beim Respektieren der Grundrechte des Seins: Man kann die Fähigkeit, die Grundrechte des Seins in jeder Situation einzuhalten, nur erlernen, indem man dies möglichst häufig und konsequent übt. Erst wenn dies zu einem Automatismus geworden ist, haben wir das Ziel erreicht.
Natürlich kann auch das Nichtbefolgen der Grundrechte des Seins zu einem Automatismus werden. Wenn ich in einer bestimmten Situation immer gleich falsch reagiere, dann wird auch dieses Falschreagieren mit der Zeit automatisch erfolgen. Dementsprechend aufwendig und mühsam wird später die Korrektur dieses Verhaltensmusters sein!
Indem wir aber den Übungen zum Leben der Grundrechte des Seins so weit wie möglich aus dem Wege gehen, verhindern wir zwar gewisse persönliche Verletzungen der Grundrechte des Seins, wir lernen aber auch nicht sie zu leben. Wir handeln wie ein Musiker, welcher aus Angst vor falschen Tönen nicht mehr mit seinem Musikinstrument spielt. Genau das Gegenteil ist richtig: Je häufiger der Musiker übt, desto weniger Fehler (zum Beispiel falsche Töne) wird er produzieren. Ein virtuoser Musiker wird schlussendlich in einen Zustand kommen, wo er quasi verschmilzt mit seinem Instrument, ohne sich anstrengen zu müssen spielt er es einfach. Sicherlich hat er keine Angst falsche Töne zu produzieren: Er beherrscht das Instrument völlig, deshalb wird es auch keine falschen Töne geben.